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BRIEFAN JACKIGR(ruAC
7 MIUTZ IIYLI, KANSAS CITY
Lieber Jack: Dieser nächste Absatz muß notwendigerweise abso-
Ich sitze in einer Bar an der Market Street. Ich bin lut sachlich geschrieben werden - Edith (ihre Schwe-
besoffen, noch nicht garu, aber bald ist es soweit. ster) & Patricia (meine Liebe) kamen Hand in Hand
Aus 2 Grtinden bin ich hier: muß 5 Stunden auf den aus dem Scheßhaus (meine Gefiihle verkneife ich
Bus nach Denver warten & außerdem &hauptsäch- mir). Es sieht so aus, daß Edith (bah) vorzeitig im
lich sitze ich hier (& trinke) natürlich wegen einer Busbahnhof eingetroffen war & sich auf einer Bank
Frau & was Iiir einer Frau! Zum Ablauf der Dinge: ausgestreckt hatte, während sie auf Patricia warte-
Ich saß im Bus als in Indianapolis, Indiana noch ein te. Aus dem Grund konnten Pat & ich sie nicht
paar Reisende zustiegen - eine perfekt gebaute, sehen.
umwerfende, geistvolle, leidenschaftliche Personifi- Meine verzweifelten Versuche, Pat von Edith zu
kation der Venus von Milo fragte mich, ob der Platz befreien schlugen fehl, selbst Pats Schrecken & ihre
neben mir frei sei! !! Ich schluckte erst mal (besoffen sklavenhafte Zuneigong, gegen die sie anging, in-
wie ich bin) räusperte mich & stotterte NEIN! dem sie sagte, sie mi.isse ,jemand" kurz sprechen
(8lödsinniger Ausdruck, wie kann man NEIN stam- & würde Edith später treffen, nützte nichts. Edith
meln!!?) Sie setzte sich - ich schwitzte - Sie fing ahnte mehr; sie spi.irte, was zwischen Pat &mir vor-
zu reden an, ich wußte, es würde nur allgemeines ginc.
Zeug sein, & um sie ein wenig herauszufordern, Um nun zusammenzufassen: Pat & ich standen in
schwieg ich. dem Busbahnhof (unmittelbar vor den Augen der
Sie (heßt Patricia) stieg um 8 abends in den Bus Schwester) & drückten uns aneinander, schworen
(Dunkel!) bis l0 sagte ich kein Wort - in den 2 nie jemand anderen zu lieben & sctrließlich nahm ich
dazwischenliegenden Stunden entschloß ich mich den Bus nach Kansas City & Pat zag widerstandslos
natürlich nicht nur, sie zu nageln, sondern auch mit ihrer dominierenden Schwester ab. Naja -
WIE. Völlig verloren (versuche meine Gefühle nachzuem-
Ich kann selbstverständlich die Unterhaltung nicht pfinden) saß ich im Bus auf dem Weg nach Kansas
Wort für Wort wiedergeben, trotzdem will ich ver- City. In Columbia, Mo. stieg eine junge (19) völlig
suchen, dir die Highlights zwischen l0 & 2 Uhr passive Jungfrau ein und setzte sich neben mich . . .
nachts mitzuteilen. In meiner Frustration über den Verlust von Pat,
Ohne die geringsten Vorbereitungen der sonst üb- die Vollkommene, war ich entschlossen, sie mitten
lichen Einleitungen (wie heißt du? wo willst du hin? am Tag (direkt hinter dem Fahrer) zu vernaschen,
usw.) stürzte ich mich in eine vollkommen bewußte, zwischen halb I I & halb 3 nachmittags redeten wir.
vollko mme n unb eki.immert e, persönliche & sozusag- Anschließend rief sie (verwirrt, durcheinander,
gen ,,aufs Ganze gehende" Redeweise; kurz gesagt seelisch über mich erstaunt & hingebungsvoll in ihrer
(weil mir das Scfueiben zunehmend schwerfiilfi) Unerfahrenheit) ihre Eltern in Kansas City an & wir
gegen 2 hatte ich sie soweit, mir ewige Liebe zu
verzogen uns in einen Park (es fing an dunkel zu
schwören, sich mir völlig hinzugeben & mir augen- werden) & und ich bumste sie; ich hab gevögelt wie
blickliche Befriedigung zu verschaffen. Ich hielt sie nie zuvor; alle meine aufgestauten Emotionen ent-
davon ab, mir im Bus einen zu blasen, weil ich mir luden sich in diese Jungfrau (wassietatsächlichwar),
noch höheres Vergnügen ausmalte, statt dessen die im übrigen Lehrerin ist!
spielten wir an uns herum, wie es so heißt. Ich muß aufhören. Oh ja, um mich einenAugenblick
Im Bewußtsein, daß dieses höchst vollkommene We- von meinen Geftitrlen zu befreien: du mußt die ,,To-
sen ganz mir gehöre (wenn ich mal besser beisam- ten Seelen" lesen (wo Gogol großen Durchblick
men bin, werde ich dir ihre ganze Geschichte er- zeigt), Teile davon ähneln dir.
zählen & den psychologischen Grund ihrer Liebe für Mehr später (vielleicht) im Augenblick bin ich besof-
mich) konnte ich mir kein Hindernis für meine Be- fen & glücklich (schließlich habe ich mich von Patri-
friedigung vorstellen, naja ,,auch die besten Pläne cia wegen dieser kleinen Jungfrau bereits befreit.
werden mal durchkreuzt" und meine Nemesis war Weiß nicht wie sie heßt. Mit den glücklichen Tönen
ihre Schwester, das Scheßweib. von Les Youngs ,jumping at Mesners" (die ich ge-
Pat hatte mir gesagt, der Grund ihrer Reise nach St. rade höre) schließe ich bis später.
Louis war, ifue Schwester zu treffen; sie hatte ihr r- meinen Bruder
Mach weiter!
telegrafiert, daß sie sie am Busbahnhof abholen soll-
te. Um also der Schwester nicht in die Arme zu lau- N.L. Cassady
fen, warfen wir heimlich einen Blick in den Bus-
bahnhof als wir gegen 4 morgens in St. Louis an-
kamen, um zu sehen, ob ihre Schwester da sei. Neal Cassady, Chouffeur extraordinaire für Jack Kerouac
Wenn nicht, würde Pat ihren Koffer abholen, sich und Ken Kesey. ,,Du vereinst in dir all die besten Stile . . .
von Joyce Celine Dusty & houst . . . und gebrauchst sie
im Klo umziehen & beide wi.irden wir uns liir eine
im muskolösen nrsft deiner eigenen aufrege-nden Schreib-
Nacht (oder Jahre?) der Glückseligkeit in ein Ho- weise. Ich meine- wirklich, kein Dreiser, keln Wolfe war je
telzimmer verziehen. Die Schwester war nicht zu je so nah dran, Melville war nie echter. Ich weiß, daß iöh
sehen, also holte Sie (bemerke die Großbuchstaben) nicht träum-e." (Jack Kerouac in einem Brief an Cassady)
Brtef an lack Kerouac, T.Mtirz 1947 c l97l by Citv Lighi3
ilnen Koffer & verzog sich aufs Klo, um sich umzu- Books
ziehen - langer Gedankenstrich -
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