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KARL KOLLMANN
Die Beredsamkeit des jungen, kürzlich zum Star Programm gewesen und zuviel Alkohol und Mattig-
beförderten Schriftstellers in den Kulturnachrichten. keit.
"Man muß immer wieder von vorn beginnen" und an- Im selben Sekundenbruchteil, in dem der Magen sich
dere verschwitzte Albernheiten, mit denen die Sende- zusammenzieht, selbsttätig, nicht mehr unterbrech-
minuten gefüllt werden. Der Nebel geht mir ab, die bar, da schießt auch der eiskalte Schweiß aus den Po-
kühlende Feuchtigkeit, die zum nächtlichen Spazier- ren. Die Geräusche schlagen auf das Trommelfell,
gang einlädt. Vorstadtwanderungen ersetzen den wie schwere Vorschlaghämmer, mit denen man Mau-
Schlaf nur behelfsweise; eine Form von Therapie, sich ern niederreißt. Die Knochen brechen, das Fleisch
an den üblen Lebensrhythmus anzupassen. Natürlich spritzt in blutigroten Fetzen davon, im nächsten Au-
auch, um den Alkohol abzuarbeiten, und um sich genblick wird man nicht mehr sein als eine faustgro-
müder zu machen. Einfach solange gehen, bis man ße, undefinierbare Masse, aus, vorbei, verreckt. Das
nicht mehr stehen kann. Eines der Probleme dieser Ende, das unertragbare Ende in diesem jahrzehnte-
Bewegungstherapie ist, sich die Route so einzuteilen, langen, tödlichen Schrecken. Ewigkeiten lang Qualen,
daß man in der Nähe von Straßen bleibt, wo Taxis Schmerzen, Haß, Gift, Tödlichkeit. Nur Marter, nur
fahren. Sie halten an, wenn man an einer Hausecke die Hölle.
oder an einem geparkten Wagen lehnt. Das nicht: Nicht zur schlechten Filmkopie verkom-
Kinderjahre abwandern. Oder Jugendjahre. Diese sich men. Der fade Laüinengeruch, Schmerzen in der
so habgierig sanft ins arglose Nachdenken schleichen- rechten Kopfhälfte, der ganze Körper taub, total aus-
den Deja-vu-Farben. Menschentrauben in einem Kaf- gelaugt, zerschlagen. Wenn es mir gelingt, die Augen
feehaus, Tabakkrümel auf der marmornen Tisch- aufzumachen, werde ich mich auf einem billigen
platte; die fiebrige Ungewißheit, ob man nun zu den Holzstuhl kauern sehen, blutend, angespienes zerrisse-
anderen gehört. Sie sitzen so nahe um einen herum, nes Gewand, die Pissbuhnen vor mir, ein Präservativ-
man kann sie aber nicht erkennen. Übelkeit. Wie ein automat in der Ecke. Jeder Atemzug ist eine hart an-
harter, weit ausgeholter Schlag auf den Kopf der brandende Schmerzflut; ein vom Pferd gestürzter
Zwang, sich zu erbrechen. Ein unerträgliches Bedürf- Cowboy, über den eine Rinderherde trampelt. Die
nis- Jetzt, hier. Sofort. Keine einzige Bewegung mehr, automatische Spülung rauscht. Gleigh werde ich von
nur mehr sich ausspeien. Den Alkohol ausspeien, die diesem Holzstuhl rutschen und mit dem Gesicht auf
Galle, die man schon im Gaumen hat, loswerden; in die schmutzigen, nassen Bodenfliesen schlagen. Es
diese ganze Atmosphäre hineinspeien und sie damit wird weh tun, aber vielleicht werde ich die Erinne-
zusammenfallen Iassen, sie loswerden. Sofort, im rung, das Bewußtsein verlieren. Einfach alles hinter
nächsten halben Augenblick. Eine ungemein verlok- sich lassen.
kende Perspektive: man sitzt vor einem Bildschirm, Der gepreßt klingende asiatische Singsang brachte
der einen mit allem Schrecken dieser Welt quält, und mich dazu, in die Richtung aus der er kam, zu blik-
mit einer einzigen, unmerklichen, von selbst ablaufen- ken. Am Bildschirm bunte, sich fortwährend verän-
den Magenbewegung speit man den Bildschirm zu. dernde Muster, Mandalas lihnlich. Ratlosigkeit, die
Blitzschnell wird der gelbe und grüne, halbverdaute zwischen Unbehagen und Erwartung schwankt.
Mageninhalt die Wirklichkeit überziehen, zum Ver- Schließlich aber doch ein die Muskelfasern in Unruhe
schwinden bringen. Dämmstoff, Abdeckfarbe, der versetzendes Mißtrauen; zögernd stehe ich auf und
realistische Kanal; dann wärs geschafft, das Grauen gehe langsam zum Bildschirm. Diese Farbmuster und
zugespien und vernichtet. Zuhause könnte man sich die Musik dazu, dashypnotisiert irgendwie. Erschreckt
wiederfinden und das alles wäre nur ein schlechtes sehe ich mich im Raum um. Nichts ist ungewöhnlich
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