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die Schuhsohlen  im nassen Gras zu reinigen  ging er zu  nen Kopf wieder auf die verschränkten  Arme, beob-
                  den Stallungen,  durch die fleckigen  Scheiben  das  achtete die Schuhe vor ihm, die abstehenden Knöchel
                  sprachlose Alter des Knechts, er öffnete das Stalltor,  in den weißen Kniesocken,  an ihm vorbei, sich ent-
                  tätschelte einer Kuh das mahlende  Maul die mit ihrer  fernten  und dann nicht mehr zu hören  waren . . . der
                  rauhen Zunge seinen Unterarm  leckte  . . . die vorbei  Hengst, gefährlich schlagend,  der seinen  schaumig-sah-
                  springende Gestalt des Mädchens,  ihr flatternder  nig glänzendem  Körper  auf die rossige Stute schob,
                  Rock, das gebogene, auf einer  Stiege abstoßende  mit aufgerissenen  blutunterlaufenen  glühenden Au gen,
                  Bein, die gestreckten  Oberbeinmuskeln  im Sprung  . . .  im Kreis drehend . . . er sprang  auf, klopfte die Gras-
                  das Blechern  des Melkgeschirrs, der Bauer der sich  halme von den Hosen, die Tautropfen,  schüttelte  sich
                  zwischen  die Kühe zwängte.  Zwischen  den geschlosse-  und rannte über die Wiese zu den Pferdestallungen.
                  nen Trennhölzern  beobachtete er wie der Bauer  das  Die Stuten wandten  ihm die Köpfe  zu als er in den
                  Gemelk einer Kuh rüstete, bis die Striche prall, rot  Stall trat, der Hengst  döste abgeschirmt  in der hinter-
                  und melkbereit vom geschwollenen  Euter abstanden  sten Boxe im Dämmerlicht des Stalles. Der Hengst
                  . . . in den Ferienlagern,  kam ihm in den Sinn, wäh-  spitzte nur kurz die Ohren  als der Knabe  an das abge-
                  rend der Bauer  zu melken begann, faßten sich die  leckte Gitter lehnte, seine Augäpfel verschwanden
                  Knaben nach den Kissenschlachten  und dem Lichter-  fast unter den halbgeschlossenen  Lidern,  bewegte nur
                  löschen  an die Gliede, drückten,  zogen  oder brachten  leicht sein Hinterteil, wischte  mit dem Schweif über
                  sie mit den Fingern  zum wippen . . . das Mädchen?  die satten  glänzenden  Oberschenkel,  sanftes Schnau-
                  . . - das aufkommende ziehende Gefühl  auf die Toilet-  ben, trotzdem  die Gewißheit daß er sich in Gegenwart
                  te gehen zu müssen, und stand er dann vor der Schüs-  einer rossigen Stute in einen wilden gefährlich stamp-
                  sel mußte er doch nicht . . . er schlenderte  an den  fenden  und schlagenden  Teufel verwandeln  konnte. . .
                  kauenden Kühen vorbei,  schlurfte  durchs Gras  das  das Mädchen  auf der Treppe,  das Mädchen vorhin vor
                  sich auf den Schuhkuppen  zu Haufen  sammelte die er  ihm stehend, ihn ansprechend. . . ihn ansprechend. . .
                  in die Freßmulden beförderte  . . . das zu ihren Eltern  er rannte aus dem Stall, suchte das Mädchen vorne
                  zurückblickende  Gesicht des Mädchens, ihr gebroche-  beim Brunnen auf dem Hofvorplatz, beim  Schweine-
                  ner Schatten  auf seinen  aufgestützten  Unterarmen . . .  stall, in der Scheune, im Traktorschuppen,  durch  die
                  in der Küche deckte  die Magd den Bauerntisch,  in der  Küche,  Abstellräume,  hinter den leeren Strohschup-
                  Gaststube die Tische  für die Feriengäste. Er setzte  pen wo sie kauerte und mit den Sommerkatzen  spiel-
                  sich auf die Eckbank  des Bauerntisches,  jetzt  mußte  te. Außer Atem setzte er sich neben sie, sagte, daß die
                  sie bald kommen,  dachte er und schlotterte  vor Auf-  Sommerkatzen schlechte  Mäusefänger werden und
                  regung. Fallendes Wasser in den  gelblichen  Wasser-  schielte  nach ihrem Oberkörper,  nach ihren  spitzen
                  rohren, hörbar in der lauter  werdenden Morgenstille.  Knien, kratzte  sich am Kinn, verzog den Mund  und
                  Der vor der über den Wäldern  aufscheinenden  Sonne  griff die Luft anhaltend an die nächststehende Brust.
                  flüchtende  Morgennebel vor dem beschlagenen  Kü-  "Nicht hier, meine Eltern könnten  es sehen"  sagte sie
                  chenfenster . . . auf dem speckigen  Tisch  verwickelten  und streichelte  die Sommerkatzen weiter.  Erschrok-
                  sich die Fliegen in wahnwitzige Kämpfe, wälzten sich  ken und gleichzeitig  verblüfft zog er die geformte
                  über den Tisch, zwischen den Tellern hindurch,  fielen  Hand zurück.  "Was?"  fragte er, als wenn  er keine  Ah-
                  über die Kante  auf den Boden wo sie laut sirrend  nung hätte von was sie redete.  "Hier  gehts doch nicht,
                  über den noch sauberen Fußboden rutschten  . . . der  wo uns alle sehen können"  sagte  sie in die enger  wer-
                  Stier der auf die Kuh aufhockte  . . . oder stürzten  wie  dende, sich zusammenziehende  Luft, stand auf und
                  kleine  Flugzeuge in die Teller, jagten  in unkontrollier-  ging gegen den leeren  Strohschuppen. Er zottelte ihr
                  tem Zickzackflug an seinem  Gesicht vorbei, verhed- nach  . der Stier der auf das sich biegende  Rind
                  derten  sich in seinen  Haaren, in seiner  Ohrmuschel  hockte, der Hengst der schweißig auf die Stute rutsch-
                  .    der nackte gestreckte Arm des Mädchens,  die  te, der Hahn  der flatternd auf den Hennen ruckte,  der
                  sürmmen  Ausbuchtungen . . . die Magd hatte,  was er  Wolf der in der Wölfin anhängt,  das Jaulen und He-
                  gestern noch nicht bemerkte,  dicke  geschwollene  cheln der Wölfin,  der verkeilte schäumende  schmat-
                  Knöchel,  mit kleinen roten Rinktchen übersäte  Wa-  zende Eber, die durcheinanderwirbelnden  Fliegen,
                  den die bei  jedem  Schritt wabbelten . . . der Hofhund  eine platzende Kirsche aus der der Kern spritzte,  die
                  bellte, Sonnenstrahlen fuhren fast schlagartig  durch  Knabenfinger in den Nächten  der Ferienlager,  die
                  die mächtigen  Tannenstämme vor dem Küchenfen-  Mädchenhand,  saugende Bewegungen,  der sich auf-
                  ster. Aus den oberen  Stockwerken drangen Stimmen,  bäumende  Hengst, die mit durchgebogenen  Rücken
                  Lachen bis in die Küche. Vor Schreck sackte er zu-  verharrende  Stute . . . das näherkommende Lachen
                  sammen, sprang aber sofort wieder  auf und rannte  der Schwestern,  das näherkommende  Lachen der
                  durch  die Küchenttir  ins Freie, zwischen  den stämmi-  Schwestern, der Körper  der unter ihm wegrutschte,
                  gen Tannen hindurch über die kleine  Spielwiese  und  aufstand,  den Rock zurechtstrich,  hüpfend  aus dem
                  legte sich hinter den abgrenzenden  Büschen ins Gras  Schuppen . . . der im Stall stumpf  stehende  Stier, der
                  . . . das Gesicht des Mädchens,  wie sah es genau  aus?  im Dämmerlicht  dösende Hengst,  der fressende,  wüh-
                  .  . er versuchte  sich zu erinnern um sie wiederzuer-  lende Eber, der in der Sonne  aufgeplusterte  Hahn,  die
                  kennen,  vielleicht  sah sie gar nicht so aus, wie er sie  sterbenden  Fliegen auf dem Fenstersims, die geplatzte
                  sich vorstellte  . . . er zittette, biß ins nasse Gras, kaute  faulende  Kirsche,  der in den Erdboden  eingetretene
                  auf Halmen  bis ihm schlecht wurde.  Das Fallen von  Kern . . . Er schaute nach was er verloren hatte. Der
                  Tannenzapfen, Insekten,  Vogelgezwitscher,  die nasse  steinerne Mittag, der an den Schuppenbalken  hinab-
                  Kälte die durch  seine  Kleider zog, das vom Schatten-  rinnende Nachmittag  floß in die Abenddämmerung,
                  tau geneigte  Gras, die Halme die wie Haare aus der  die wie eine riesige düstere Wolke über den Hof
                  rubbligen Erde standen, das schleifende  Geräusch  schwärmte, der schwere  Erdgeruch  vor der Sommer-
                  wenn Schuhe über nasses Gras gehen . . . eine helle  nacht,  einzelne  Hoflichter,  der im Dunkel  verschwin-
                  Stimme sagte: "Guten Tag, was machst  du da??"  dende alte Knecht,  die horizontlose  Nacht,  der etwa
                  sie war es tatsächlich, er sagte "ha.llo" und legte sei  dreizehnjährige  Knabe,  auf einem Holzpflock sitzend.
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