STREET PHOTOGRAPHY SUMMIT WIEN 2022

Als ich Ende November an einem Freitagvormittag aus dem Flugzeug stieg, wusste ich nur bedingt, was mich am kommenden Wochenende beim „Street Photography Summit“ in Wien erwarten würde. Im Rahmen einer Kampagne der Österreich Werbung zur Förderung der Straßenfotografie durfte „Soul of Street“ mit einigen ausgewählten deutschen Straßenfotograf:innen an diesem besonderen Projekt teilhaben und die Stadt Wien an knapp drei Tagen kennenlernen. Zusätzlich wurden durch die Veranstalter im Vorfeld zwei Karten für den Summit per Gewinnspiel verlost. Abgerundet wurde der Aufenthalt mit GR-III-Leihgeräten von Ricoh Imaging.

Charmanter Schmäh

Bereits im Flughafen-Shuttle hörte ich den Spruch des Busfahrers „Wer soll das denn alles bezahlen?“ auf Nachfrage einiger sehr beengt stehender Passagiere nach einem zusätzlichen Bus. Im anschließenden City Airport Train (CAT) entgegnete mir der Schaffner auf meine Frage nach dem korrekten Ticket im Wiener Schmäh „Sie müssen doch wissen, was Sie da gekauft haben!“ Mir wurde schnell klar, dass die Wiener nicht ganz unbegründet den Titel der grantigsten Stadt der Welt trugen. Aber ich konnte mir mein Schmunzeln nicht verkneifen, denn dieses Klischee wirkte keinesfalls rüpelhaft oder unangenehm, ganz im Gegenteil, den Wienern gelang es, selbst in diese Aussagen ihren unbestreitbaren Charme zu legen.

Tradition trifft Moderne

So traditionell die Sprache, so modern das Reisen, schien mir. Mit der kostenlosen App „ivie“ des Wien Tourismus verwahrte ich nicht nur meine Tickets digital, sondern konnte mir bereits einige Hotspots markieren, Touren durch Wien heraussuchen und auch jederzeit die schnellste Route zur nächsten Summit-Etappe finden. Vom Flughafen benötigte der CAT nur eine Viertelstunde in die Innenstadt, mit der anschließenden U-Bahn war mein erstes Ziel rasch und problemlos erreicht: das 25hours Hotel nahe des modernen Museum Quartiers – meine Basis für die nächsten drei Tage. Direkt im Foyer wurde mein Fotografenherz von einem Gesamtkunstwerk aus alten Polaroidkameras empfangen. Der perfekte Einstieg in den Summit! Natürlich hatte ich das Hotel im Vorfeld gegoogelt, und so war ich sehr gespannt auf dessen Interieur und die Zimmergestaltung. Ich wurde nicht enttäuscht: Hier hatte jemand gekonnt mit den Träumen und Sensationen der Zirkuswelt gespielt – und dennoch das Grundprinzip des Designs, „form follows function“, perfekt umgesetzt. Mit dieser Aussicht freute ich mich schon auf die Hotelführung am nächsten Tag.

Kleiner Streifzug mit süßem Erfolg

Doch zurück ins Jetzt. Es ist überaus imposant, das erste Mal auf die Straßen Wiens zu treten und das Treiben der Menschen zu beobachten, die sich vor der beeindruckenden Kulisse aus hellen, historischen Fassaden bewegen. Da mir vor dem offiziellen Summit-Start noch einige Stunden zur freien Verfügung standen, flanierte ich fasziniert und mit grummelndem Magen die Lerchenfelder Straße entlang und entdeckte in einem schönen Durchgangshof die kleine „Bäckerei Schwarzbrot“, in der ausschließlich vegane Backwaren hergestellt werden. Bewaffnet mit Nougat-Croissant, verlängertem Kaffee und der Ricoh GR III genoss ich die ersten Wiener Eindrücke.

Café Liebling im Volkstheater und Christkindlmarkt am Spittelberg

Im Café Liebling im Volkstheater traf sich die Summit-Gruppe erstmalig zum Kennenlernen am frühen Abend. Wir nahmen auf dem ein oder anderen Design-Klassiker Platz und wählten aus der hervorragenden Karte entsprechenden Genuss für den Gaumen. Das Café wurde erst im März 2022 wiedereröffnet und bietet seinen Gästen neben der gelungenen Mischung aus Kunst und Kulinarik auch die Möglichkeit, über zwei große Bildschirme das Treiben auf der Volkstheaterbühne zu verfolgen.

Wir bestaunten das Interieur und nutzen die Zeit beim Abendessen für erste Gespräche. Dem Ruf nach Wien folgten Pia Parolin, Samuel Lintaro Hopf, Beate Adejoro aka Frl. Artig und Mike Suminski. Dazu gesellten sich die beiden angesprochenen Gewinner der Verlosung, Ronald Kästner aus Köln sowie Frank S. aus Jena.


(C) Pia Parolin
(C) Pia Parolin
(C) Pia Parolin

Da uns das Foto-Fieber packte, stand im Anschluss der Christkindlmarkt am Spittelberg auf dem Programm. Der pittoreske Markt in den engen Gassen ist absolut sehenswert und vermittelt eine einmalige stimmungsvolle Atmosphäre. Zahlreiche Aussteller boten Kunsthandwerk verschiedenster Art, und wir ließen den Abend bei einem Punsch ausklingen. Natürlich bewährte sich die GRiii durch ihre Kompaktheit und Unauffälligkeit; selbst der abendlichen Dunkelheit trotze sie.

„We are all mad here“.

So prophezeit es die Leuchtreklame an der Fassade des 25hours Hotels, wo wir nach dem Frühstück am Samstagmorgen mit der bereits erwähnten Hotelführung in den Tag starteten. Das Gebäude ist ein wahres Erlebnis: vom Wellnessbereich im Untergeschoß über die Panoramazimmer mit atemberaubenden Ausblick bis hin zum „Dachboden“ mit eigener Rooftop-Bar, in der sich am Wochenende die Wiener Szene zum Feiern trifft und dabei weite Teile der Stadt überblicken kann. Wirklich jedes kleinste Detail in diesem Hotel lädt zur Entdeckung. Und ein eigener Bienenstock auf dem Hoteldach dient als Lieferant für den täglichen Honig an ganzer Wabe beim Frühstücksbuffet. Wir konnten gut verstehen, dass die Zeit hier anders tickte und dem Gast im Sinne des Hotelnamens eine Stunde versprochen wurde, die außerhalb des Gewohnten lag.

LOOK: überall Streetfotograf:innen

Die „Heidi Horten Collection“, eine hochkarätige Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst, erreichten wir wild fotografierend zu Fuß. Es handelte sich hierbei um eine Themenausstellung als Hommage an die Museumsgründerin Heidi GoëssHorten. Die Ausstellung LOOK stellte die Aspekte Kunst und Mode in den Mittelpunkt und befasste sich mit dem Bild der Frau sowie dem Blick auf Frauen. Mit unserem Begrüßungsgeschenk, pinke BaseballCaps mit der Aufschrift LOOK, und einer ordentlichen Portion Neugierde im Gepäck, erkundeten wir die Ausstellung, die unsere Faszination und Motivsuche schnell entfesselte. Das Zusammenspiel aus Museumspublikum und ausgestellten Werken erzeugte für uns Fotografierende eine ganz eigene Dynamik. Wenn es hie und da schrill piepte, so war eine:r von uns im Eifer zu nah an ein Werk herangetreten und erntete mahnende Blicke der Museumsmitarbeitenden. Ein sehr kurzweiliger Besuch voller interessanter Exponate und spannender Motive.

…wir treffen uns im Prückel

Welch‘ schöner Ort für unser Mittagessen. In diesem Ringstraßencafé wird seit der Jahrhundertwende traditionelle Wiener Kaffeehauskultur gelebt. Eben diese wurde im November 2011 in das Verzeichnis des immateriellen UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen. Im gut besuchten Café Prückel erlebten wir im internationalen Stimmengewirr eine beeindruckende, kulturelle Atmosphäre und den unglaublichen Duft frisch gemahlenen Kaffees. Ein imponierender Treffpunkt, der uns sofort Fan der Wiener Kaffee-Tradition werden ließ.

We are rebels

Nun hieß es, auf zum Schwedenplatz! Der zentrale Verkehrsknotenpunkt entwickelt sich abends zu einem Ort des Feierns für Alt und Jung, bietet aber auch die Gelegenheit, einfach an der Donau zu chillen. Der Donaukanal mit seinen zahlreichen, einladenden Lokalen lockt die Nachtschwärmer, künstlerische Graffitis lockern die Szenerie auf. Auf unserem Fußweg bot sich der Gruppe somit wieder ausreichend Gelegenheit, auf Wiens Straßen „z’fotografian“, bis wir von Basti und Gabi von „Rebel Tours Vienna“ begrüßt wurden. Leider muss ich zugeben, bei dieser Führung die wenigsten Bilder geschossen zu haben, denn während des Spaziergangs durch die versteckten „Gassln voller Geschichte und Gschichtln“ lauschte ich so gebannt, dass ich die Kamera völlig vergaß. Es ging hinterm Stephansdom links, durchs Durchhaus und vorbei an der Pawlatsche. Das Geschwisterpaar kennt jede geheime Ecke Wiens, führte uns abseits der üblichen Touristenpfade bis es plötzlich ungewöhnlich still wurde fernab der üblichen Hektik der Hauptstadt. Eine unvergleichliche Tour, die wir ohne lokalen Guide niemals erlebt hätten.

Licht + Barock = Modernstes Kulturerlebnis

Nun hieß es, auf zum Schwedenplatz! Der zentrale Verkehrsknotenpunkt entwickelt sich abends zu einem Ort des Feierns für Alt und Jung, bietet aber auch die Gelegenheit, einfach an der Donau zu chillen. Der Donaukanal mit seinen zahlreichen, einladenden Lokalen lockt die Nachtschwärmer, künstlerische Graffitis lockern die Szenerie auf. Auf unserem Fußweg bot sich der Gruppe somit wieder ausreichend Gelegenheit, auf Wiens Straßen „z’fotografian“, bis wir von Basti und Gabi von „Rebel Tours Vienna“ begrüßt wurden. Leider muss ich zugeben, bei dieser Führung die wenigsten Bilder geschossen zu haben, denn während des Spaziergangs durch die versteckten „Gassln voller Geschichte und Gschichtln“ lauschte ich so gebannt, dass ich die Kamera völlig vergaß. Es ging hinterm Stephansdom links, durchs Durchhaus und vorbei an der Pawlatsche. Das Geschwisterpaar kennt jede geheime Ecke Wiens, führte uns abseits der üblichen Touristenpfade bis es plötzlich ungewöhnlich still wurde fernab der üblichen Hektik der Hauptstadt. Eine unvergleichliche Tour, die wir ohne lokalen Guide niemals erlebt hätten.

Im Anschluss wollten wir ins Hotel zurückkehren und Kräfte für den nächsten Tag schöpfen. Doch wie so oft, macht der Mensch Pläne… und endet spontan im Haupthof des Wiener MuseumsQuartiers, einem der zehn größten Kulturareale weltweit mit jährlich über 3 Millionen Besucher:innen.

Eine Lichtinstallation hatte uns in ihren Bann gezogen : Spontan erlebten wir hier die „re:flexion“ von Lumine Projections. Durch Licht entstanden fantastische Bilder und verwandelten die Fassaden der Gebäude zusammen mit rhythmischen Klängen zu neuen Formen. Eigentlich ein tolles Sinnbild für die Stadt, dachten wir, denn wir empfanden die Installation als inspirierende Kombination aus moderner Kunst und historischem Erbe. Fotografisch war das Event natürlich ein Highlight: die farbenfrohen Reflexionen in Kombination mit den Besucher:innen, die dort in ruhiger gelassener Atmosphäre ihren Punsch genossen, ergaben tolle und ungewöhnliche Aufnahmen. Ein gelungener Abschluss für einen spektakulären Tag, der uns wahrlich gefesselt hat.


(c) Pia Parolin
(c) Pia Parolin
(c) Pia Parolin
(c) Pia Parolin
(c) Pia Parolin


Early Birds auf dem Christkindlmarkt am Rathausplatz

Da Wien ein fotografisches Mekka für Streetfotograf ierende ist, beschlossen wir, am frühen Sonntagmorgen wieder loszuziehen. Noch müde durchstreiften wir die überaus fotogenen, menschenleeren Straßen Wiens und fanden uns schließlich vor dem Rathaus wider. Der noch geschlossene Weihnachtsmarkt vor der imposanten Architektur des Rathauses wirkte in der Frühe fast mystisch. Kein Wunder, dass wir nun beinahe die Zeit vergaßen und unsere Kameras auf Hochtouren auslösten.

Street Art und Street Photography

Unser erster fester Programmpunkt des Tages sollte auch der vorletzte des Summits sein. Daher schlich sich etwas Wehmut ein, als wir auf Tobias Tomaschko von Calle Libre warteten, der uns auf eine Street-Art-Tour durch den siebten Bezirk mitnehmen würde. Tobias alias „Toto“ begrüßte uns lässig mit Sonnenbrille und stellte sich und seine „Mission“ vor: Eine Tour rund um die Thematik urbaner Kunst und zeitgenössischen Formen von Graffiti und Street Art. Die Verbindung von Künstlern aus lateinamerikanischen Ländern und der lokalen Szene hat in Wien das Ziel, einen Querschnitt der globalen Bewegung und der zeitgenössischen Tendenzen dieser Kunstform zu präsentieren und die öffentliche Diskussion anzuregen. Für Street-Art-Interessierte ist die Tour ein unbedingtes Muss. Und auch fotografisch bilden die Motive ideale und außergewöhnliche Hintergründe.

Baba, grantig-schönes Wien!

Nach einem letzten Wiener Schnitzel verabschiedeten wir uns vom „Street Summit Wien“. Wir haben eine moderne Stadt auf traditionellem Grund mit massig Flair erleben dürfen, das ist uns allen klar. „Die Straßen Wiens sind ein Paradies für uns Streetfotografierende“, so Teilnehmerin Beate Adejoro aka Frl. Artig. „Zusammen mit einer fantastischen Gruppe hatte ich die Ehre, Wien zu entdecken und mich in diese Stadt zu verlieben.“ Fest steht: Wien wirkt keinesfalls altbacken und angestaubt, sondern überzeugt mit Kultur, hippen Bars und Nachtleben, einer umwerfenden StreetArt-Szene, lässigen Läden, kulinarischen Highlights, urbanem Charme und einem modernem Stadtkonzept. Kein Wunder, dass „The Economist“ Wien im Jahr 2022 bereits zum dritten Mal innerhalb der letzten fünf Jahre den 1. Platz in puncto „Lebensqualität weltweit“ verliehen hat.

Der Sommer ist nicht mehr weit, also vielleicht auch Wien im Sommer erleben.

 

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