Page 28 - gasolin#07
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NGO LAINA                                                        EPATITIS



                 2O.l 2.L97 O (erotischer  lilienthal-traum)   rumgelaufen bin (mein arzt war auf skiurlaub und der
                 eine bunt zusammengewilrfelte  menge zieht über wie-  alte ehemalige  militärarzt  zu dem ich gegangen  war,
                 sen und felder. wir reden in alle windrichtungen,  meinte doch tatsächlich  es handle  sich nur um eine
                 weiße fahnen  im haar und rote mohnblumen  in den  kleine gallenstörung  / einer von den typen, die sich
                 gedanken.  irgendjemand sagt "es ist krieg", aber kei.  immer gedankenvoll die alte fechtnarbe  entlangstrei-
                 ne metallene sirene singt in den morgen.  ich spüre die  chen.  später erfuhr  ich dann so hintenrum, daß der
                 wiese unter meinen füßen wie ein trampolin  und habe  was gegen langhaarige  und gammler hat, na ja . . .)
                 angst vor dem kreiswehrersatzamt,  das eigentlich  die anderen patienten sind so buntgemischt,  daß ich
                 kreiswenrolfsamt  heißt und zwischen elektrisch  ge-  für die nächsten  vier bis sechs wochen auf einiges  ge-
                 ladenen äunen und muhenden  kühen in einer  ver-  faßt bin: ein musikprofessor aus bramfeld, der's auch
                 schimmelnden  bruchbude einquartiert ist. der dienst-  noch an der prostata hat, ein sarkastischer  seemann,
                 hrende offizier  trägt einen napoleonhut  und mustert  dem  jetzt  nach einem  halben  jahr  auf see der landur-
                 mich kritisch.  ich versuche einige ausreden  vozubrin-  laub verpatzt ist und ein algerier, der sich mir grin-
                 gen:  "meine drahtseilbahn ist nie und nimmer kariert  send als lumumba  vorstellte  und ein as im pokern ist
                 gewesen! " aber er winkt ab: "sie  können gehen!" ich  (corriger de la fortune,  amigo! comprinez-vous?)  dann
                 bin vor lauter  freude  so außer mir, daß ich im rhyth-  noch der obligatorische fixende  oberschüler,  der allen
                 mus eines rattenfängerliedes über die wiesen  hüpfe.  ernstes behauptete er hätte seit zweijahren  keine  zei-
                 nach einiger zeit merke  ich, daß ich fliege, erst nur  tung gelesen  und ein arbeiter der beim essen  gerne
                 wenige handbreit  über dem boden,  dann  als ich die  von hinrichtungen quatscht (unheilbarer  minderwer-
                 arme ausbreite  schwebe ich wie otto von lilienthal  tigkeitskomplex  im endstadium)  das kann ja  heiter
                 die hängenden  weingärten  ins thal hinunter. es wird
                                                               werden. . .
                 immer angenehmer.  eine fröhliche beschwingte  stim-
                 mung steigt mir zu kopf und plötzlich blüht eine  zum  jahres,rrechsel  gab's  stark  verdünnten  tee und alte
                 schöne lilie zwischen  meinen beinen. als ich später  witze: was sagt eine sächsin nach dem geschlechts-
                 Iande  werde  ich von einer magd neben der scheune  ge-  akt? "nu  guggema  dah, jetzt  bischde  miehde und
                 molken, während  ich noch frei in der luft schwebe. . .  ichsch bün gläbrigl"
                 das blaue wetter öffnet alle zwei minuten  seine  schau-
                 fenster die destillation  des mondfalters ist ein weg zur  2.t.7t
                 versiegelten  tür leopard heißt der blitz am abend vor  mußte in der prüfung  eine quadratwurzel  lösen wach-
                 karneval ein blutgerinnsel im wunden mond  grüß mir  te kurz auf und versuchte doch tatsächlich das pro-
                 den falter  aus den spielen des leoparden  wenn  du vom  blem im halbschlaf zu lösen  griff nach papier  kritzel-
                 blauen wetter träumst  alle sieben minuten öffnet der  te schlief  wieder ein . . . ich wsllte das problem  ky-
                 tod seine rosen.                              bernetisch  anpacken: dabei stellten die lochstreifen-
                                                   (18.r2.70)  muster die von gedächtnislücken vermotteten mull-
                                                  unter opium  binden  meiner eigenen mumie dar . . . die lösung ent-
                                                               glitt mir wieder  im fahlen licht der dämmerung
                 wolfgang  d. hatte mir enählt, daß der freund seiner
                 schwester, harald, ne gute oconnection hätte und wir  nachmittags  5 uhr
                 verabredeten  uns. standen  ne geschlagene  halbe stun-  traum: liege elektrisiert  im bett als ein neuer  patient
                 de in einem  treppenhaus am von-Melle-Park herum.  eingeliefert wird, der wie ein liliputseeräuber  aus-
                 "der typ kommt  wohl überhaupt  nicht zurück, was?"  sieht, grade ausm ei gekrochen.  er trägt eine gelbe
                 sagte ich zu h. "na klar, der holt das zeug erst aus  ma-  augenbinde  und kündigt  die invasion  der gelblinge  an.
                 rokko!"  "da  gibts doch gar kein O!"  "O  gibtsüberdl  ich steige aus dem traum aus wache im traum auf und
                 wo auch die OAS ist . . ."                   drehe mich im traumbett um . . . wache endlich ganz
                                                              auf. . .
                 30.t2.70
                 gerüchte über einen mord in den weihnachtsmann-  3.1.7I
                 masken / ein schatten kriecht  übers feld (kristallwatte  ein leerer  weißer raum  / schmerzhafte  sirenenmelodie
                 im mondlicht) begege  auf einsamer  landstraße  einem  sägt mir durch die knochen / versuche  auf allen vieren
                 mädchen.  in dem moment wo ich ihr gesicht erkenne,  wegzukriechen  / um eine überdimensionale  steckdose
                 weckt mich die schwester mit den worten:  "guten  zu erreichen  / die deutlich  die gesichtwüge eines weiß-
                 morgen, würden  sie bitte das thermometer nehmen!"  haarigen alten trägt. . . erwache schweißgebadet.  . .


                 31.12.70 (morgens)                            5.I.7I
                 zusammenhangloses  zeug von maschinen die an tep-  einer  von uns (der oberschüler) bekommt den kran-
                 pichklopfstangen angeschlossen sind. trällere  im  kenhauskoller und schmeißt  sein essen auf den boden.
                                                              nach mehr als vier wochen  ist das eine ganz gewöhnli-
                 traum  einen  song von bob dylan und wache auf . . .
                 kein fieber nur den faden geschmack von valium im  che reaktion.
                 mund
                 liege hier mit fünf  leidensgenossen  im tropenkranken-  6.1.71
                 haus nachdem ich fast vier wochen lang mit einem gilb  labyrinthisch  ineinander  verschlungene  zimmer aller
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