Page 6 - soulofstreet
P. 6
Die Lösung lag in der vorangegangenen spürte, wie das Fotografieren meinem
Frage: Für einen Rahmen benötigt man Kopf einerseits eine Pause vom Alltagsge-
ein Bild. Um dieses Bild einzurahmen, schehen einräumte, mir andererseits er-
brauchte ich eine Kamera. laubte, Kraft zu tanken.
Ich bin kein Theoretiker. Daher fing ich Es erfreute meine Mutter stets aufs Neue,
auf dieselbe Weise an, die vermutlich viele meine Bilder anzusehen. Ich konnte sie
andere Menschen wählen, welche zum damit glücklich machen.
ersten Mal eine Spiegelreflexkamera in
den Händen halten: Loslegen, auf gut Zeitgleich ergab ich mich dem Gefühl, et-
Glück! was Glück erleben zu dürfen und, intuitiv
nur von mir entdeckte Augenblicke, foto-
Das Unheil erreichte wenige Monate spä- grafieren zu können. Es war meine Mög-
ter einen neuen Höhepunkt als meine lichkeit, etwas zu erschaffen. Ich gestalte-
Mutter erkrankte. In der Anfangszeit ihrer te aus Alltagssituationen Bildnisse, die das
Therapie entstand meine Bilderserie Ich Leben dokumentierten, die Kunst sein
bin nur die Begleitung. Das, was ich in konnten. Ich nahm Augenblicke wahr, die
den letzten Monaten mit meinem Vater vielen anderen Menschen entgingen und
nicht machen konnte, weil es mir nicht hielt sie fest, sodass sie blieben.
bewusst war, wurde mir in dieser Zeit der
Erkrankung meiner Mutter zuteil. Die Kamera wurde mein stetiger Begleiter.
Ich trug sie auf dem Weg zur Arbeit bei
Damals habe ich begonnen, im öffentli- mir, beim Einkaufen, sogar, wenn ich mit
chen Raum zu fotografieren. Ich nahm auf meinem Hund Gassi ging. Wenn ich keine
eine andere Weise am Leben teil. Ich Kamera dabei hatte, suchte ich permanent