Page 5 - soulofstreet
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Meine Geschichte:
Seinen Kopf leicht in den Nacken gelegt, Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit der Fo-
drehte er mit geschlossenen Augen sein tografie noch nicht viel am Hut. Damals
Gesicht in die strahlende, wärmende Mit- gab es nicht viele dieser starken visuellen
tagssonne. Er saß dort am Wegesrand und Momente mit meinem Vater; schöne Au-
wartete auf sein Taxi. Als Sitzgelegenheit genblicke, die ich aufsaugen und für im-
fungierte sein Rollstuhl, die Kraft zum Ge- mer in meinem Kopf behalten wollte, um
hen hatte ihm die Krankheit genommen – sie auf Abruf anzusehen.
schleichend.
Die gewonnenen Erfahrungen der letzten
Eine Decke spendete ihm die nötige Wär- Monaten im Leben meines Vaters, in de-
me. Es war im März des Jahres 2011. Ich nen ich ihn häufig begleitete, verliehen
stand neben ihm und konnte diese Minu- dem Wort Empathie plötzlich eine neue
ten des Wartens mitverfolgen. Ich beo- Bedeutung.
bachtete, wie die Sonne in sein Gesicht
schien, was er augenscheinlich genoss. Die erste Kamera kaufte ich mir wenige
Die Sonne – mein Vater liebte sie. Wochen später. Bevor es dazu kam,
durchlief ich in meinem Inneren einen in-
Diese Szene war meine Initialzündung. tensiven Prozess. Ich begann, mein Um-
Ich wollte den starken Moment festhalten, feld genau zu beobachten. Ich filterte. Ich
ihn nie wieder loslassen. Ein greifbarer, fragte mich, wie ich diesen aufrichtigen
tiefer Augenblick, der in der nächsten Se- Momenten, die für mich auf einmal mehr
kunde wie Sand in den Händen zerrann. waren als eine Variabel für verstrichene
Zeit, einen Rahmen geben konnte?