Page 6 - soulofstreet
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Sind Straßenfotografen Gesetzesbre-
cher?
Menschen unbeobachtet zu fotografieren Ich möchte hier aber noch weiter gehen
fühlt sich auch für mich noch häufig falsch und jeden Leser zur folgenden Straftat an-
an. Sie in besonderen Augenblicken und Si- stiften: Geht raus auf die Straße und foto-
tuationen zu sehen, um sie anschließend grafiert die Menschen in euren Städten!
mit der Kamera festzuhalten, erzeugt den Macht daraus eine Serie von Porträts. Un-
Eindruck, als würde man jemandem unge- gefragt und direkt. Postet dann eure bes-
fragt etwas wegnehmen. ten Bilder auf Facebook mit dem Hashtag
Nun merkt meistens die Person diesen ver- #straßenfotografieistkeinverbrechen.
meintlichen »Diebstahl« nicht und somit
hat der Bestohlene auch keinen Verlust zu Stellen Straßenfotografen eine kollek-
beklagen. Es sei denn, andere stören sich tive Bedrohung für die Privatsphäre
daran und greifen, motiviert durch ihre Zi- dar?
vilcourage, in die Situation ein.
So gesehen sind alle meine Bilder Beweise Eine Gruppe von Straßenfotografen bewegt
von Straftaten, die ich begangen habe. sich beobachtend durch die öffentlichen
Denn keines meiner Modelle habe ich beim Räume der Stadt, um Bilder zu machen.
Fotografieren um Erlaubnis gebeten, auch Kann das etwas anderes sein als ein räube-
nicht im Nachgang. rischer Mob auf Bilderjagd? Viele Fotogra-
Nur gut, dass diese Art der Straftat ein so- fen treffen sich zu sogenannten Walks, das
genanntes Antragsdelikt ist. Darunter ver- sind Fototouren durch den urbanen Raum.
steht man eine Straftat, die grundsätzlich Sicherlich wirkt es bedrohlich, wenn zwei,
nur auf Antrag des Opfers von den Straf- drei oder mehr Fotografen auf ein Motiv zu-
verfolgungsbehörden verfolgt wird. Wo also gehen und es aus verschiedenen Perspek-
kein Kläger, da kein Richter. tiven fotografieren.