Page 4 - soulofstreet
P. 4
ILLEGAL
Sind Straßenfotografen allesamt Gesetzesbrecher? Dürfen wir uns die Freiheit neh-
men, uns über den Willen anderer – insbesondere unserer Modelle – hinwegzuset-
zen? Über das Dilemma, als Streetfotograf mit der hiesigen Rechtsprechung in Kon-
flikt zu geraten.
Von Marc Barkowski
Nach der in Deutschland geltenden Rechts- Eichhöfer. Er wurde von einer Frau ver-
auffassung ist die Straßenfotografie nicht klagt, die er in Berlin ungefragt beim Über-
anerkannt, sondern ganz klar verboten. queren einer Straße abgelichtet hat.
Grundsätzlich ist es hierzulande nicht ge- Für Straßenfotografen gehört es unum-
stattet, ohne Einwilligung der abgebildeten gänglich dazu, Menschen ohne Vorankündi-
Person Aufnahmen zu erstellen oder diese gung in der Öffentlichkeit zu fotografieren,
gar zu veröffentlichen. Allen, die mit der dieses Element ist ein fester Bestandteil
Straßenfotografie liebäugeln, aber bisher des Genres. Das bedeutet, dass die Stra-
noch keine praktischen Erfahrungen ge- ßenfotografie nicht funktionieren, ge-
sammelt haben, sei also gesagt: Ihr werdet schweige denn sich entfalten kann, ohne
euch sehr häufig in einem Dilemma befin- dass Urheber-, Persönlichkeits- oder an-
den. Die einzige Möglichkeit, sich als dere private Eigentumsrechte verletzt wer-
Streetfotograf aus den juristischen Fallstri- den.
cken zu befreien, ist der so genannte Mo- Dabei ist die Rechtsprechung in Deutsch-
del-Release-Vertrag. Durch diese Vereinba- land nur ein Aspekt, der es erschwert, die
rung regeln der Fotograf und sein Modell, Straßenfotografie ohne Spannungen aus-
welche Rechte jede Seite an einem Bild hat. zuführen. Hinzu kommt, dass auch viele
Übertragen auf die Straßenfotografie be- Menschen diese Art der Fotografie offen-
deutet dies, dass der Fotograf sein Modell sichtlich ablehnen. Wahrscheinlich beruht
noch vor der ersten Aufnahme ansprechen dies auf einem weit verbreiteten Vorbehalt
muss, um eine rechtliche Vereinbarung mit gegenüber Fotografen im Allgemeinen:
ihm zu treffen.
Es liegt auf der Hand, dass ein solches Vor- Sie werden als unangenehm erlebt und
gehen für Streetfotografen wenig praktika- ihnen wird schnell unterstellt, dass sie in
bel ist. Denn welcher passionierte Straßen- die Privatsphäre anderer eindringen.
fotograf würde sich erst um einen Vertrag
inklusive Unterschrift kümmern, um dann HALT,… HALLO BLEIBEN SIE GEFÄL-
zu sein Bild zu machen? Die spontane und LIGST STEHEN!
ungestellte Szene, wegen der man die Ka-
mera zückt, wäre dadurch zunichte ge-
macht.
Natürlich besteht die Möglichkeit, sich im
Nachhinein die Rechte am Bild beim Modell
einzuholen, allerdings ist die Situation
rechtlich dadurch immer noch nicht unbe-
denklich. Außerdem läuft man dabei Ge-
fahr, das Bild eventuell löschen zu müssen.
Bleibt man hingegen bei der ungefragten
Variante, riskiert man einen Rechtsstreit –
wie aktuell der Ostkreuz-Fotograf Espen