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ILLEGAL




          Sind Straßenfotografen allesamt Gesetzesbrecher? Dürfen wir uns die Freiheit neh-
          men, uns über den Willen anderer – insbesondere unserer Modelle – hinwegzuset-
          zen? Über das Dilemma, als Streetfotograf mit der hiesigen Rechtsprechung in Kon-
          flikt zu geraten.

          Von Marc Barkowski

          Nach der in Deutschland geltenden Rechts-             Eichhöfer.  Er  wurde  von  einer  Frau  ver-
          auffassung  ist  die  Straßenfotografie  nicht        klagt, die er in Berlin ungefragt beim Über-
          anerkannt,  sondern  ganz  klar  verboten.            queren einer Straße abgelichtet hat.
          Grundsätzlich ist es  hierzulande nicht ge-           Für  Straßenfotografen  gehört  es  unum-
          stattet, ohne Einwilligung der abgebildeten           gänglich dazu, Menschen ohne Vorankündi-
          Person Aufnahmen zu erstellen oder diese              gung in der Öffentlichkeit zu fotografieren,
          gar  zu  veröffentlichen.  Allen,  die  mit  der      dieses  Element  ist  ein  fester  Bestandteil
          Straßenfotografie  liebäugeln,  aber  bisher          des Genres. Das bedeutet, dass die Stra-
          noch  keine  praktischen  Erfahrungen  ge-            ßenfotografie  nicht  funktionieren,  ge-
          sammelt haben, sei also gesagt: Ihr werdet            schweige  denn  sich  entfalten  kann,  ohne
          euch sehr häufig in einem Dilemma befin-              dass  Urheber-,  Persönlichkeits-  oder  an-
          den.  Die  einzige  Möglichkeit,  sich  als           dere private Eigentumsrechte verletzt wer-
          Streetfotograf aus den juristischen Fallstri-         den.
          cken zu befreien, ist der so genannte Mo-             Dabei  ist  die  Rechtsprechung  in  Deutsch-
          del-Release-Vertrag. Durch diese Vereinba-            land nur ein Aspekt, der es erschwert, die
          rung regeln der Fotograf und sein Modell,             Straßenfotografie  ohne  Spannungen  aus-
          welche Rechte jede Seite an einem Bild hat.           zuführen.  Hinzu  kommt,  dass  auch  viele
          Übertragen  auf  die  Straßenfotografie  be-          Menschen  diese  Art  der  Fotografie  offen-
          deutet dies, dass der Fotograf sein Modell            sichtlich  ablehnen.  Wahrscheinlich  beruht
          noch vor der ersten Aufnahme ansprechen               dies auf einem weit verbreiteten Vorbehalt
          muss, um eine rechtliche Vereinbarung mit             gegenüber Fotografen im Allgemeinen:
          ihm zu treffen.

          Es liegt auf der Hand, dass ein solches Vor-          Sie  werden  als  unangenehm  erlebt  und
          gehen für Streetfotografen wenig praktika-            ihnen  wird  schnell  unterstellt,  dass  sie  in
          bel ist. Denn welcher passionierte Straßen-           die Privatsphäre anderer eindringen.
          fotograf würde sich erst um einen Vertrag
          inklusive Unterschrift  kümmern, um dann              HALT,…  HALLO  BLEIBEN  SIE  GEFÄL-
          zu sein Bild zu machen? Die spontane und              LIGST STEHEN!
          ungestellte Szene, wegen der man die Ka-
          mera  zückt,  wäre  dadurch  zunichte  ge-
          macht.

          Natürlich  besteht  die  Möglichkeit,  sich  im
          Nachhinein die Rechte am Bild beim Modell
          einzuholen,  allerdings  ist  die  Situation
          rechtlich dadurch immer noch nicht unbe-
          denklich. Außerdem läuft  man dabei Ge-
          fahr, das Bild eventuell löschen zu müssen.
          Bleibt  man  hingegen  bei  der  ungefragten
          Variante, riskiert man einen Rechtsstreit –
          wie  aktuell  der  Ostkreuz-Fotograf  Espen
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