Page 6 - soulofstreet
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Mir war zu diesem Zeitpunkt noch nicht In diesen Begegnungen sehe ich besonde-
klar, ob ich das Bild von Kamal jemals re Momente, die ich aus meiner Sichtweise
publizieren würde. War es vertretbar einen wiedergebe. Meist beobachte ich die Lage
Menschen in seiner Lage, mit seinem Aus- kurz und gestalte dabei gleichzeitig das
sehen zu zeigen? Letztendlich habe ich Bild, bevor ich den Auslöser drücke. Wenn
mich nach längerem Überlegen für die die Person, die ich fotografieren möchte,
Veröffentlichung entschieden. schläft, lassen sich problemlos verschiede-
ne Perspektiven ausprobieren, um gege-
Ich habe festgestellt, dass gerade die rau- benenfalls das Gesicht unerkannt zu las-
en, weniger schönen Seiten des Alltags ein sen. Verschmutze Hände, durchgelaufene
wichtiger Bestandteil meines Verständnis- Schuhe, verdreckte und kaputte Kleidung
ses von Straßenfotografie sind. Menschen – das sind Details mit Potenzial für ein
in schwierigen Lebenslagen gehören als gutes Bild. Es gibt aber auch viele Momen-
kleiner Baustein zu meinen Bildern einfach te, die sich nicht richtig einfangen lassen,
dazu. Zudem würde es mir auf meinen dann belasse ich es bei der gedanklichen
Streifzügen durch die Stadt auch schwer- Bildgestaltung.
fallen, diese Menschen einfach zu ignorie-
ren. Einfach nur vorbeigehen, das machen Fotografieren heißt die Regeln verlet-
viele. zen.
- Robert Doisneau