Page 6 - gasolin#09
P. 6
Das Riviera war voll weil Wochenende war, das Steakhaus hin-
ter der Uni hatte geschlossen, in der Nähe des Bistros war kein
Parkplatz zu finden, & als er schließlich den Thaischuppen hin-
tetm Zoo getrat, schnappte ihm ein Macker mit 2 rausgeputz-
ten Tussies im Schlepptau die letzten Plätze weg.
"Alles drin, nichts in Sicht, alle im selben Boot", sagte der Bärti
ge, der im Peanuts hinter der Theke die Gläser wusch. Max
nickte, obwohl das eine völlig überflüssige Geste war. Der La-
den war leer & er setzte sich an denselben Tisch, an dem er da-
mals mit Hurrikan gesessen war, verlangte ein Bier & verdrück-
te den Eintopf, der nach Gulasch aussah.
Als er in seine Bude zurückkam, lief gerade eine alte Wochen-
schau an. 6-motorige Giganten wurden von Nazisoldaten zum
Start fertiggemacht, wirbelten Staubwolken auf, hoben ab &
verschwanden an einem grobkörnigen Horizont.
Auf der Autobahn auf dem Weg zum Flughafen war sie wieder
da, die verstohlene Aggressivität, mit der hier selbst die banal-
sten Vorgänge abliefen, Die sind jederzeit bereit dich an die
Leitplanke zu drücken, dich vor die U-Bahn zu stoßen oder
dich rückwärts die Rolltreppe runterzuschubsen.
Es ist ein Spiel, bei dem es keine Gewinner gibt, denn jeder
macht mal einen Fehler oder nicht? Für jemanden, der auf der
Strecke bleibt, haben sie immer einen passenden Spruch bereit:
"Der hat sich überhaupt nicht um die Vorfahrt gekümmert.
Hätte eben besser aufpassen müssen." Max fragt sich wo die
Kiefern geblieben sind, die ihn jedesmal an Pinien erinnerten
mit ihren langen Stämmen & zerzatsten Wipfeln. Manchmal,
wenn an Sommerabenden der Himmel durchsichtig & klar
wurde, war es wie im Süden in einem dieser Touristenorte am
Mittelmeer, wo Hunde spielen, wo es nach trocknen Hölzem
riecht & der Geruch staubiger Agaven & frischer Paella über
öligen Asfalt zieht & wenn eine Maschine gelandet ist, sich ein
Rudel von Taxifahrern auf die unschlüssigen Reisenden wirft.
Er parkte den Wagen & stand noch eine Zigarette lang zwi-
schen den Säulen neben der Auffahrt des Flughafens ... wie da-
mals, als das letzte Luftschiff in Richtung Westen aufstieg (eine
Raumkapsel, wo immer man sie findet), & der Rauch der Ziga-
rette mischte sich mit den Schwaden über der Unglücksstelle
von Lakehurst.
Oder wie damals, als er auf Carl den Grauen wartete. Es waren
die Ashbury-Jahre & sie hatten sich ein paar hemmungslose
Briefe geschrieben (hemmungslos zuversichtlich, wie es schien).
Carl war an der Westküste in einer futuristischen Mission un-
terwegs, jedenfalls konnte man das schließen aus dem, was er
schrieb. Kurz bevor die Maschine landete, verdunkelte sich das
Vorfeld auf mitteleuropäisch typische Art, tiefe grau-grüne
Schwaden zogen über den Tarmac, Lichter begannen zu flim-
mern & die Farblosigkeit der kalten Jahreszeit senkte sich auf
alles, was hinter den getönten Scheiben lag.
Zmzatst von der Nacht tauchte Carl im Neon des Morgens auf,
warf Max ein seesackähnliches Utensil vor die Füße & sagte:
"Long time no see." Bis auf einen olivfarbenen Trenchcoat war
alles farblos an ihm, vielleicht wurde er deshalb der Graue ge-
nannt.
Carl hatte wie viele Zeitgenossen der Epoche die Fähigkeit un-
terzutauchen, von der Bildfläche zu verschwinden. "Ver-
schwand & wurde nie wieder gesehn ..."
Wenn die Zett reif war & noch einiges mehr, würde man sich
wieder begegnen, als wäre nichts geschehen. Schließlich war er
es, der Max darauf brachte, es mit der Fliegerei zu versuchen.
"Die suchen Leute mit einem unromantischen Gespür lür