Page 15 - soulofstreet
P. 15

Arbeit. Schließlich zog ich vor ein paar Jahren  meine Instinkte mir sagen, dass ich eine Ver-
       von  Deutschland  nach  Italien  und  hatte  end-      bindung zu der Person aufgebaut habe, die mei-
       lich die Chance das zu tun, was ich liebe und  ne Aufmerksamkeit erregt hat.
       kann jetzt den Großteil meiner Zeit der Fotogra-
       fie widmen. Es war eine lange Zeit vergangen,  STREET: »Under Rome« ist ein tolles Pro-
       in  der  ich  mich  nicht  meinem  Hobby  widmen  jekt. Ich mag die Vielfalt der Geschichten
       konnte.  Aber  ich  stellte  schnell  fest,  dass  es  in jedem Bild.  Du hast viele Facetten des
       auch  gar  kein  Hobby  mehr  war,  sondern  eher  Lebens in einem kompakten Raum einge-
       eine Lebenseinstellung, da ich meinen Tag da-          fangen. An welches Bild der Serie denkst
       mit beginne und beende — jeden Tag.                    du jetzt und warum?

       STREET:  Wenn  du  fotografierst,  wie  viel  Zu »Under Rome« habe ich eine besonders star-
       davon ist Instinkt und wie viel ist geplant?           ke Verbindung. Ich lebe in Rom und liebe seine
                                                              wunderbar  warmen  Farben.  Aber  am  liebsten
       Ich bin relativ häufig in verschiedenen Ländern  fotografiere ich in der U-Bahn. Da es nicht gera-
       und verschiedenen Städten. Ich habe meist kei-         de die schönste U-Bahn der Welt ist, hat sie ein
       nen bestimmten Plan und ich plane auch nicht,  besonderes Licht und bleibt ein sehr atmosphä-
       worauf ich mich fokussiere. Ich fotografiere da,  rischer Ort. Ich fotografiere generell sehr gerne
       wo  ich  gerade  bin.  Ich  laufe  über  die  Straße,  in  den  U-Bahnen  anderer  Städte.  Die  U-Bahn
       ohne  auf  etwas  Bestimmtes  zu  achten.  Mein  Roms ist allerdings eine besonders große Inspi-
       Geist  ist  offen  für  das  Unvorhergesehene  und  ration für mich. Ich liebe es die Schwingungen
       mein Bauchgefühl führt mich immer irgendwo  purer  menschlicher  Emotionen  zu  spüren  und
       hin.  Das  Einzige,  was  ich  antizipiere  sind  die  manchmal merke ich gar nicht, dass ich mich
       subtilen  Details  meines  Umfelds.  Oft  ziehen  für Stunden darin verliere.  Es ist ein Ort, an
       mich bestimmte Gesichtsausdrücke an, aber es  dem  sich die normale  — gar  banale  — Reali-
       können auch andere Dinge sein: eine Haltung,  tät  des  alltäglichen  Pendelns  in  ein  einzigarti-
       eine Stellung, eine Blume am Jackenaufschlag,  ges Universum verwandelt. Der begrenzte Platz
       ein Kleidungsstil, eine Reflektion oder ein Kuss.  dieses surrealen Universums zwingt uns, so nah
       Am Ende drücke ich dann den Auslöser, wenn  dran  zu  sein.  Es  führt  zu  dem  Eindruck,  dass
   10   11   12   13   14   15   16   17   18   19   20