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Worin  liegen  die  speziellen  Heraus-               Wie versuchst du, unbemerkt zu blei-
          forderungen in der Streetfotografie?                  ben?

          Grundsätzlich gelten meiner Meinung nach              Auf der Straße nutze ich einen Vorteil, den
          in  der  Streetfotografie  dieselben  Heraus-         schon  viele  vor  mir  genutzt  haben:  Zum
          forderungen wie in allen anderen Genres:              Beispiel  Vivian  Maier  arbeitete  mit  einer
          Verstehe  und  beherrsche  deine  Kamera,             kleinen,  unauffälligen  Kamera,  die  aller-
          mach dir darüber Gedanken, wie ein gutes              dings zu ihrer Zeit noch nicht wirklich be-
          Bild komponiert wird etc.                             kannt  war  bzw.  unterschätzt  wurde.  Ich
          Bei  der  Streetfotografie  kommt  hinzu,             nutze diesen Vorteil noch heute, denn mit
          dass man neben dem Auge für das Motiv                 einer  großen  Spiegelreflexkamera  werde
          auch  noch  ein  Auge  für  die  Situation            ich  anders  wahrgenommen.  Damit  ist  die
          braucht,  ein  Gespür  dafür,  wie  sich  eine        Situation  nicht  mehr  die  gleiche,  die  sich
          Situation  entwickeln  könnte.  Der  Zufall           mir als unbemerktem Betrachter zeigt.
          allein reicht nicht aus, wenn man nicht auf
          ihn vorbereitet ist, ihn also nicht erwartet.         Hast  du  in  solchen  unbeobachteten
          Außerdem  ist  es  in  der  Streetfotografie          Momenten  auch  schon  die  eine  oder
          meiner  Meinung  nach  wichtig,  unbemerkt            andere skurrile Situation erlebt?
          zu bleiben, da die Situation nicht mehr die
          gleiche  ist,  sobald  das  „Model“  merkt,           Ich  erinnere  mich  an  eine  Situation,  als
          dass es fotografiert wird.                            ich mit meiner Frau in Prag war. Bei unse-
                                                                rem  ersten  gemeinsamen  Spaziergang
                                                                durch die Stadt entdeckte ich ein riesiges
                                                                Plakat,  das  für  mich  die  ideale  Kulisse
                                                                war, um auf einen passenden Protagonis-
                                                                ten                 zu                 warten.
                                                                Also wieder so ein „erwarteter Zufall“. Wir
                                                                setzten  uns  in  ein  nahe  gelegenes  Café,
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