sanhe_great_gods


[vc_row][vc_column][vc_column_text]China hat viele Facetten. Auf Instagram dokumentiert das Projekt „Sanhe Great Gods“, wie Wanderarbeiter aus Sanhe in der chinesischen Region Shenzhen am Rande von Minimum und Legalität täglich um ihr Überleben kämpfen.

SoS: Was bedeutet sanhe_great_gods?

sanhe_great_gods: „Great God“ ist chinesischer Slang für „Meister“. Hier bezeichnet der Ausdruck „Sanhe Great Gods“ einfach die Wanderarbeiter auf dem Arbeitsmarkt von Sanhe. Die meisten von ihnen sind stark verschuldet (ohne an Rückzahlung zu denken) und haben ihren Personalausweis verkauft. Sie haben zahlreiche Wege gefunden, um Geld zu verdienen und von zwielichtigen Geschäften zu leben, z. B. als Rechtsvertreter von Scheinfirmen. Es ist eine Gemeinschaft in einer sich selbst versorgenden Subkultur, die mit keiner anderen in China oder der Welt verglichen werden kann. Sie stellt einen extremen Unterschied zu dem Bild dar, das die chinesische Regierung durch ihre Medienaussagen zeichnen möchte.

SoS: Wie kam es zu dem Projekt?

sanhe_great_gods: China ist ein widersprüchliches Land, und eine Art magischer Surrealismus ist Teil seines Wesens. Es ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht weltweit, aber der Spalt zwischen Arm und Reich, zwischen Gebildeten und Analphabeten, ist riesig. Die kommunistische Partei Chinas (CCP) ist nicht mehr so „kommunistisch“. Sie sorgt dafür, dass Millionen von Menschen im Alter von 50 oder 60 Jahren in einer heiklen Situation gefangen sind. Die von mir dokumentierten Wanderarbeiter sind zumeist Kinder der Generation, die sehr unter dem „Himmel“ gelitten haben, den die CCP versprach, jedoch nicht schaffen konnte. Nachdem ich viele Fallstudien zum Lebenswandel der Arbeiter in Sanhe durchgeführt und mich mit Online-Nutzern der lokalen Foren ausgetauscht habe, stellte ich fest, dass es eine interessante Subkultur gibt, die aus den Brutstätten des Arbeitsmarkts hervorgeht.[/vc_column_text][vc_single_image image=”19585″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_column_text]SoS: Wer sind die Protagonisten und Fotografen der Aufnahmen?

sanhe_great_gods: Einige von ihnen sind „Great Gods“, also Wanderarbeiter, die ich entweder online oder persönlich über den Arbeitsmarkt von Sanhe kennengelernt habe. Ich beauftragte sie damit, mir Schnappschüsse aus ihrem täglichen Leben zuzusenden. Fand ich etwas interessant, fragte ich sie nach der Geschichte dahinter und gab sie mit meinen eigenen Worten wieder, was man in den Bildunterschriften auf Instagram sieht. Ich habe versucht, so nah wie möglich an der ursprünglichen Beschreibung zu bleiben, auch was die Stimmung angeht, aber habe die Geschichten etwas humorvoller gestaltet, um die Schwere der Dokumentation abzumildern. Die Protagonisten und Objekte, die sie aufgenommen haben, drücken subtil, aber nachhaltig die Ästhetik des magischen Surrealismus Chinas aus, der die vorangehende Generation bis heute überdauert. Ein paar von ihnen sind wahre Stadtlegenden und unter den „Great Gods“ sehr bekannt, z. B. „Chicken Bro“, „250“, „Sister Hong“ oder „God in White“ (zu Deutsch „Gott in Weiß“). „Chicken Bro“ heißt so, weil er nach seiner Ankunft in Sanhe ständig ein Huhn auf seiner Schulter trug, und er lächelt immer in die Kamera. Alle betrachten ihn als Anführer von Sanhe, denn immer, wenn er von einem Elektronikhersteller zurückkam, bei dem es Null Arbeitsschutz oder Ethik gab, lächelte er dennoch über das ganze Gesicht. „250“ ist chinesischer Slang für „Idiot“. Er verdient sein Geld damit, im Longhua Park zu tanzen und das live zu streamen – inklusive der Frauen, mit denen er dort zu sehen ist. Im Chinesischen wird die Zahl „5“ ähnlich ausgesprochen wie das Wort für „Tanzen“. Darum hat er den Spitznamen von den Anwohnern erhalten. Solche Geschichten sind in Sanhe an der Tagesordnung. In dem Forum vor Ort gibt es sogar Leute, die „Sanhe Daily“ freiwillig posten. So habe ich die Arbeiter dort kennengelernt und bin an die Inhalte gekommen.[/vc_column_text][vc_single_image image=”19598″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_single_image image=”19597″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_column_text]SoS: Seid ihr ein Kollektiv?

sanhe_great_gods: Nein, das ist ein Einzelprojekt. Allerdings bat ich einen Freund, einen Künstler aus Singapur, mir bei der „Feldforschung“ zu helfen. Wir haben auch ein hübsches Mädchen gebeten, in Sanhe am Ufer baden zu gehen. Die Great Gods versammelten sich um sie und erzählten ihr Quatsch, um sie zu ihren Geschäften zu locken. Eine Menge Lügen wurden erzählt, und sie haben sich nicht einmal dafür geschämt. Das kam auch in unsere Geschichtensammlung.[/vc_column_text][vc_single_image image=”19595″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_column_text]

SoS: Welche Botschaft möchte euer Projekt übermitteln, und habt ihr einen Wunsch für die Zukunft?

sanhe_great_gods: Ich glaube, wenn du das Publikum überzeugen willst, musst du es zuerst zum Lachen bringen. Denn auch wenn meine Posts meist das tägliche Leben der Arbeiter auf humorvolle oder sarkastische Weise zeigen, möchte ich eigentlich die Ästhetik zum Ausdruck bringen, die subtil, aber nachhaltig in mehreren Generationen der chinesischen Bürger verwurzelt ist. Sie machen sich gerne über ihr miserables Leben lustig und überspitzen ihre Situation. Ich weiß nicht, ob die Details und Geschichten erfunden sind, aber ich würde es gerne unverfälscht so belassen und die Logik und ihr „echtes Leben“ einem Publikum enthüllen. Quasi als Versuch, die Definition von „Geschichte“, „Legenden“, „Mythen“, die Funktion des „Archivs“ und von „NGOs“ in Frage zu stellen.

[/vc_column_text][vc_single_image image=”19592″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_single_image image=”19577″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_custom_heading text=”CHINA IST EIN WIDERSPRÜCHLICHES LAND, UND EINE ART MAGISCHER SURREALISMUS IST TEIL SEINES WESENS.” font_container=”tag:h4|text_align:left”][vc_single_image image=”19588″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_single_image image=”19587″ img_size=”full” add_caption=”yes”][vc_single_image image=”19586″ img_size=”full” add_caption=”yes”][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_single_image image=”19596″ img_size=”full”][vc_column_text]

Mit Regenschirm aus Ölpapier
Wand‘le ich entlang allein
Eine einsame Straße im Regen
Hoffe zu treffen
Auf ein Mädchen wie ein Bouquet aus Flieder
Welkend von Beklemmung und Groll
Ein Mädchen
Wie des Flieders Farbe
Wie des Flieders Duft
Wie des Flieders Sorgen
Der Regen lässt Melancholie verspüren
Klagend und zögerlich
Schweigend kommt sie näher,
und näher, schenkt mir
Einen Blick wie ein Seufzen
Dann schwebt sie vorbei
Wie ein Traum,
Farblos und leer wie ein Traum,
Wie die Fliederblüte
Schwebt sie vorbei im Traum
Das Mädchen schwebt an mir vorbei;
Schweigend geht sie weiter und fort
Zu der brüchigen Wand
Weg von der Straße im Regen
In der klagenden Melodie des Regens
Vergeht ihre Farbe
Verschwindet ihr Duft
Entschwindet ins Nichts;
Sogar ihr Blick, nur ein Seufzer
Melancholie wie Flieder
Mit Regenschirm aus Ölpapier
Wand‘le ich entlang allein
Eine einsame Straße im Regen
Hoffe vorbeizugehen
An einem Mädchen wie ein Bouquet aus Flieder
Welkend von Beklemmung und Groll

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