Im Schatten des Cupido


Im Schatten des Cupido oder Die unmögliche Challenge

Überraschend forderte René Wysk die Herren Achim Katzberg (aka querformat-fotografie) und Jens von Ewald (aka strassengeier) zu einer fotografischen Challenge heraus. Es geschieht des Öfteren, dass sich mehrere Fotografen desselben Motivs oder derselben Location annehmen, um zu sehen, wie verschieden die jeweiligen Interpretationen aussehen. Auch das Streetfotografen-Kollektiv NRW 35 hat sich ein solches Projekt auf die Fahne geschrieben. Die Mitglieder treffen sich an einem Ort, müssen dort innerhalb von 33 Minuten drei Fotos aufnehmen und vergleichen diese dann miteinander. Die Wysk‘sche Challenge ging in eine ähnliche Richtung. Allerdings gab es eine besondere Herausforderung, denn die Protagonisten befanden sich zu völlig verschiedenen Zeitpunkten, verschiedenen Anlässen und während verschiedener Wetterverhältnisse am Ort des Geschehens. Die Zusagen kamen dennoch mit Begeisterung, denn derartige Projekte eignen sich immer gut als Inspiration, und der Reiz des Wettkampfes ist ebenfalls motivierend.

Als erster reiste René nach London. Er nahm dort an einem Workshop von und mit Matt Stuart teil. Achim verbrachte während einer Privatreise ein paar Tage bei typischen Londoner Wetter, sprich dauerhaftem Nieselregen, zum Fotografieren in der britischen Hauptstadt. Jens hielt sich im Rahmen einer Abschlussfahrt mit Schülern und Kollegen im Vereinigten Königreich auf. Die Aufgabe bestand darin, drei Bilder an demselben Platz zu schaffen, weiter gab es keine Regeln. Irgendein besonders lustiger Vogel – der geneigte Leser wird dies als Wortspiel erkennen und selbständig den Schluss ziehen können, wer dieser ach so lustige Vogel war – schlug für diese Challenge den berühmten Piccadilly Circus vor … den alle drei Teilnehmer akzeptierten. Und so ging man mit gemischten Gefühlen dem Unmöglichen entgegen.

Warum unmöglich? Nun, Piccadilly Circus dürfte ohne Übertreibung zu einem der meistfotografierten Orte der Welt gehören. Kein Stein, keine Ampel, keine Leuchtreklame, die nicht bereits millionenfach auf Film oder Speicherkarte gebannt wurde. Dieser Fleck im Herzen Londons lädt auch nicht gerade zu entspannter Bildkomposition ein, denn hier pulsiert 24/7 das (touristische) Leben. Am Piccadilly Circus begegnen sich rund um die Uhr Tausende Menschen.

Als René Matt Stuart während seines Workshops von der Challenge erzählte, lachte der nur mitleidig, wohl wissend, dass direkt nebenan auf der Piccadilly (der Straße, nicht dem Platz) und in ihren Seitenstraßen die viel besseren Motive zu finden wären.

Doch die Herausforderung packte jeden einzelnen der drei fotografischen Musketiere beim Ehrgeiz, und jeder von ihnen nahm sich die Zeit für besondere Bilder, die den Rest der Truppe beeindrucken sollten. Und so fand man sich am 10. Juli zu einer Videokonferenz zusammen, die dem nicht ganz ernst gemeinten Zwecke diente, den anderen klarzumachen, „wer der beste Streetfotograf dieses Trios sei“.

Zunächst präsentierte Achim eine kleine Serie. Nachdem er sich gezwungen gesehen hatte, trotz des Regens und der Menschenmassen am Ort des Geschehens zu verweilen („Wenn diese dämliche Challenge nicht gewesen wäre, hätte ich mich da ganz schnell wieder verzogen“,…) gelang ihm das Foto eines Mannes mit Smartphone. An und für sich ist dies noch kein Wunderfoto, das Bild wird jedoch durch die Twitter-Leuchtreklame besonders, die im Hintergrund erkennbar ist. Die Verbindung zwischen dem möglicherweise twitternden Mann und dem Logo im Hintergrund ist logisch, und schon erzählt das Bild eine Geschichte. Aus dem Einzelfoto wurde eine mehrere Bilder umfassende Serie, die er für die Challenge zu einer Miniserie „Piccadilly Tweets“ von insgesamt drei Bildern zusammenfasste.

Jens entschied sich im für ihn typischen Schwarz-Weiß-Stil für die Aufnahme dreier Liebespaare. Dabei blendete er die Umgebung nahezu komplett aus. Zwar erkennt der Ortskundige, dass die Paare am Piccadilly Circus abgelichtet wurden, die typischen Hinweise, wie die Reklametafeln, fehlen jedoch bewusst. Auch die Blickrichtung des Fotografen weist eher von den gängigen Erkennungsmerkmalen der berühmten Kreuzung weg.  Um zusätzlich Wirkung zu erzielen, entschied sich Jens, seine Bilder in quadratischem Format zu entwickeln.

René präsentierte drei Bilder mit einem hohen Anteil an blickführender Tiefe. Im Gegensatz zu den Fotografien der anderen beiden Fotografen weisen seine Bilder kein Thema auf, das die Serie formt, sondern die Gemeinsamkeit der Bilder liegt im Framing. Alle drei Aufnahmen nutzen Protagonisten als Begrenzung. Sie stellen entweder durch Ähnlichkeit oder aber durch Gegensätze einen Bezug zueinander her. Sei es die Doppelung des unbehaarten Kopfes in dem einen Foto oder aber der alte, faltige Mann in dem anderen Foto, dem gegenüber ein junger Mann in die Kamera blickt. Eine andere Aufnahme zeigt zwei Bilder im Querformat mit dem Cupido als Erkennungsmerkmal für den Piccadilly Circus, die ein Bild im Hochformat einrahmen, auf dem zwei Geschäftsmänner im großartig fallenden Abendlicht zu sehen sind, hier wieder Jung und Alt im Gegensatz.

Der Cupido als Gott der Liebe ist nicht nur zentrales Monument am Piccadilly Circus, sondern eignet sich auch hervorragend als Titelgeber für die Challenge. Denn genau das vereint Achim, René und Jens: ihre Passion für die Streetfotografie. Während der Videokonferenz wurde deutlich, dass „Im Schatten des Cupido“ nicht die letzte Challenge ihrer Art war. Vielmehr ist es jedem zu empfehlen, sich einmal zu einer solchen oder ähnlichen Herausforderung zu verabreden.

 

Beitragsautoren:

René Wysk:

www.instagram.com/tripsonstreet/ 

Achim Katzberg:

www.instagram.com/achim_katzberg 

Jens von Ewald

www.instagram.com/strassengeier

 

 

 

 


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